Christopher J. Garthe und Marc Wätzold bearbeiteten aktuelle Brennpunktthemen des Naturschutzes mit großem persönlichem Engagement

Weitere Informationen zu den Preisträgern und den ausgezeichneten Arbeiten finden Sie in der Anlage. Die Kurzfassungen der prämierten Arbeiten als PDF finden Sie unter www.umweltstiftung.com >Archiv> Förderpreise Wissenschaft.

München, 15.3.2017. Christopher J. Garthe und Marc Wätzold erhalten morgen die Förderpreise Wissenschaft der Gregor Louisoder Umweltstiftung. Sie werden dieses Jahr zum 14. Mal vergeben (37 Preisträger). Mit den „Förderpreisen Wissenschaft“ will die Stiftung Nachwuchswissenschaftler ermutigen, gerade auch Themen und Problemfelder zu bearbeiten, die nicht automatisch eine Industriekarriere oder Begeisterung bei potentiellen Arbeitgebern in der Verwaltung versprechen. „Gerade der Natur- und Umweltschutz braucht in Zukunft mehr denn je qualifizierte und engagierte Wissenschaftler, die nicht nur auf eine möglichst schnelle Karriere in der Industrie starren, sondern sich für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung engagieren“, so Claus Obermeier, Vorstand der Stiftung bei der Vorstellung der Preisträger. Diese Hoffnungen haben die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger in herausragender Weise erfüllt.

Im Einzelnen werden die Förderpreise für Abschlussarbeiten und Dissertationen  in den Studienschwerpunkten Biologie / Geo- und Umweltwissenschaften, Forst- und Agrarwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vergeben. Der Preis ist mit jeweils 2500 € Preisgeld und einer Anschlussförderung zur Weiterführung der wissenschaftlichen Arbeit verbunden. Weitere Informationen enthält die Ausschreibung (www.umweltstiftung.com >Förderpreise). Die Jury bestand aus Dr. Manuel Schneider (Projektbüro make sense, Gutachten), Bernd Louisoder und Claus Obermeier.


Christopher J. Garthe: Erholung und Bildung in Nationalparken

 

Gesellschaftliche Einstellungen, ökologische Auswirkungen und Ansätze für ein integratives Besuchermanagement

Dissertation Geographie Universität Hannover 2015

Die mit einem Förderpreis ausgezeichnete Arbeit behandelt ein Tabuthema für manchen Naturschützer: nämlich die Frage, ob und inwieweit die Kernzonen von Nationalparken für Erholungs- oder Bildungszwecke genutzt werden dürfen. In manchen Nationalparken sind solche Kernzonen besonders streng geschützt und dürfen nur auf wenigen Wegen betreten werden. Umso attraktiver erscheinen sie im Gegenzug und geraten immer stärker in den Blick von Erholungssuchenden und Bildungsakteuren. Vor allem in ihren Kernzonen versprechen Nationalparke – ohnehin Orte der Sehnsucht für Naturliebhaber – wilde Natur und ein besonderes Naturerlebnis.

Doch damit Nationalparke ihren Schutzzweck erfüllen können, müssen die ökologischen Auswirkungen von Erholung und Bildung in Kernzonen bekannt sein. Bekannt sein müssen aber auch die gesellschaftlichen Einstellungen zum Naturschutz in Nationalparken. Denn nur dann ist gewährleistet, dass die zu treffenden Maßnahmen des Besuchermanagements bei den Betroffenen auch auf entsprechende Akzeptanz treffen.

Erholungsökologie, Einstellungsforschung und Managementempfehlungen: Damit ist das gedankliche Dreieck beschrieben, zwischen dem sich die Arbeit von Christopher Garthe bewegt.

Die Arbeit analysiert in einem ersten Schritt über eine Befragung von über 1.000 Mitgliedern deutscher Umweltverbände die gesellschaftlichen Einstellungen und Werthaltungen bezogen auf die Nutzung von Kernzonen für Erholungs- und Bildungszwecke. Befragt wurden Menschen, die mit dem Themenbereich bereits vertraut sind und die zugleich potenzielle Akteure bei einem möglichen Diskurs um eine Nutzung von Kernzonen wären. Präferiert wurde von den Befragten ein geregelter Zugang zu den Kernzonen, wobei sich jedoch deutliche Unterschiede zeigen je nachdem, welchem Zweck das ganze dienen soll: Für Bildungsarbeit wurde ein Betreten der Kernzonen eher befürwortet als für reine Erholungszwecke. Über 60 % stimmen einer geregelten Nutzung zu (Begleitung durch Ranger, Begrenzung der Anzahl, Aktivitäten mit geringen negativen Auswirkungen), wobei vor allem die Durchführung von Bildungsaktivitäten mit Rangern eine hohe Zustimmung fand.

In einem zweiten Schritt erfasste die Dissertation in einer dreijährigen Fallstudie anhand einiger Beispielflächen die ökologischen Auswirkungen durch Erholung und Bildungsarbeit in der Kernzone des Nationalparks Kellerwald-Edersee. Die Studie konzentriert sich dabei auf Auswirkungen von Campieren auf Vegetation und Boden in Kernzonen. Für Flächen in Lichtungen und an Waldrändern zeigen die Ergebnisse signifikante Auswirkungen auf die Bodenvegetation. So ist der Deckungsgrad der Vegetation auf den Untersuchungsflächen im Laufe der dreijährigen Nutzung um 75 Prozent zurückgegangen. Dabei zeigen sich diese Veränderungen vor allem auf Flächen mit einem großen Lichtangebot. Für Gebiete mit vergleichbarer naturräumlichen Ausstattung ergibt sich die Empfehlung, stark beschattete Flächen zu nutzen, da diese eine hohe Resilienz gegenüber der Nutzung des Campierens aufweisen.

In einem dritten Schritt leitet der Verfasser Handlungsempfehlungen für das Besuchermanagement bei Erholung und Bildungsaktivitäten in Kernzonen ab, die vor allem auf kooperative und integrative Strategien abheben. Im Ergebnis zeigt sich einmal mehr, dass die Entwicklung von Nationalparks und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung stark von den kommunikativen Fähigkeiten der Nationalparkverwaltung abhängt – ganz unangesehen der Frage, ob es sich dabei um Kernzonen handelt oder nicht.

Das Thema und die Problemstellung der Arbeit ist von großer aktueller Bedeutung und betrifft eine zentrale Frage beim Nationalparkmanagement: Welcher Schutzstatus soll den Kernzonen gewährt werden? Es ist ein Verdienst der Arbeit, erstmals die ökologischen Auswirkungen von Wildnisbildung in Deutschland untersucht zu haben, wobei neue Erkenntnisse vor allem für die Nutzung von Buchenwäldern für Bildungs- oder Erholungszwecke gewonnen werden konnten. Obwohl Buchenwälder für Deutschland ein bedeutsamer Lebensraumtyp sind, wurden bislang die ökologischen Auswirkungen von Erholung und Bildungsarbeit in Buchenwäldern nicht empirisch untersucht und quantifiziert. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass im Rahmen der Dissertation nur Flächen untersucht wurden, die zuvor ungenutzt waren. Dies ist bei Studien der Erholungsökologie extrem selten und erhöht die Aussagekraft und Validität der Ergebnisse. Im Rahmen der Dissertation wurde zudem ein neues sozialpsychologisches Instrument entwickelt, mit dem die Einstellungen zu ungenutzten Naturgebieten erhoben werden können.

Die Dissertation von Christopher Garthe ist thematisch und methodisch innovativ. Sie greift ein aktuelles, strittiges Thema von hoher Relevanz auf und weist mit seiner Methodik und den Ergebnissen über das untersuchte Fallbeispiel hinaus. Die Studie zeigt Wege auf, wie ein integratives Management von Erholung und Bildung in Kernzonen von Nationalparken gelingen kann – ohne dass dabei der Schutz der Natur auf der Strecke bleibt.


Marc Wätzold: Phytodiversity and ecological interactions of open, semi-open and forest habitats in the Asinara National Park (Sardinia, Italy)

Forest habitats as the goal of restoration?

Masterarbeit Umweltwissenschaft und Naturschutz, Universität Hildesheim 2015

Der Mittelmeerraum zählt mit seinen Inseln und einigen Küstenregionen weltweit zu den Hot Spots der Biodiversität und ist reich an endemischen Pflanzenarten, also solchen, die nur in jeweils kleinen Verbreitungsgebieten vorkommen. Von den 25.000 Pflanzenarten, die 10 Prozent des weltweiten Artenvorkommens ausmachen, ist rund die Hälfte in dieser Region endemisch. Es gibt weltweit – mit Ausnahme des tropischen Tiefland-Regenwalds – kein Gebiet mit einer höheren regionalen Vielfalt an Pflanzenarten.

Eine Sonderrolle nehmen hierbei Inseln ein, wo aufgrund der räumlichen Isolation die Zahl der endemischen Pflanzen besonders hoch ist – aber auch die Gefahr des Aussterbens. Inseln sind für den Erhalt der Biodiversität aufgrund ihrer eingeschränkten Zahl und Vielfalt an Biotopen generell vulnerabler als das Festland. Dies gilt insbesondere für naturnahe Waldformationen, die aufgrund eines jahrhundertelang währenden Nutzungsdrucks gerade im Mittelraum als besonders gefährdet gelten.

Das Untersuchungsgebiet der Masterarbeit ist die Sardinien vorgelagerte ehemalige Gefängnisinsel Asinara, die seit dem Jahr 2000 einer der 24 Nationalparke Italiens ist. Die Insel ist lediglich 50 qkm groß, der Nationalpark ist der zweitkleinste Italiens. Rund ein Fünftel aller dort vorkommenden Pflanzenarten gelten in Sardinien als vom Aussterben bedroht. Der Pflanzenvielfalt auf der Insel kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Vor allem die dort vorkommende Waldvegetation wurde durch jahrhundertelange menschliche Nutzung, insbesondere Weidenutzung, stark zurückgedrängt.

Obwohl die Insel als Nationalpark geführt wird, fehlen bislang klare Schutzziele. Um zu entscheiden, ob in Zukunft offene, halboffene oder forstliche Habitate primär geschützt werden sollen, gilt es daher zunächst die Artenzusammensetzung und -vielfalt in den jeweiligen Habitattypen zu untersuchen. Dies ist bislang – trotz zweier Vorstudien aus den Jahren 1988 und 2014 – noch nicht hinreichend geschehen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die bestehenden Waldflächen auf der Insel wieder ausgeweitet werden sollen (so das bisherige zentrale Managementziel der Nationalparkverwaltung) und welche Wechselwirkungen zwischen Vegetation und den verschiedenen Umweltfaktoren, auch im Hinblick auf den Klimawandel, bestehen.

Wie auch in anderen Regionen findet sich auf Asinara in offenen und vor allem in halb-offenen Landschafträumen bzw. Habitaten eine höhere Artenvielfalt als in Waldgebieten. Von den 200 endemischen Pflanzenarten auf Sardinien sind nur fünf vollständig auf ein Waldhabitat angewiesen, weitere 23 kommen innerhalb von Wäldern vor. Die überwiegende Zahl benötigt andere Habitate.

Dennoch kommt dem Wald gerade auf der Insel Asinara eine besondere Bedeutung zu, so z.B. als Rückzugsraum und Nahrungsgrundlage für Herbivore, vor allem aber hinsichtlich des Erosionsschutzes. Denn die Böden auf der Insel haben nur eine geringe Tiefe und sind von daher besonders erosionsgefährdet (die Studie hat sich ausführlich mit der Bodenstruktur befasst). Zudem sind die vorhandenen Steineichen, die auf der Insel in geringem Umfang noch vorkommen, eine typische, jedoch stark zurückgedrängte Baumart für den mediterranen Raum, die es zu erhalten gilt.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Waldgebiete, umgeben von einem Mosaik von Buschlandschaften und offener Vegetation, das Optimum darstellen im Hinblick auf Biodiversität und den Schutz des Ökosystems (v.a. hinsichtlich Erosion). Die Erhöhung der Biodiversität darf nicht alleiniges Schutzziel sein (denn dann würden Waldgebiete generell als weniger schutzwürdig gelten); es geht vielmehr darum, die für eine bestimmte Region charakteristischen Vegetationstypen mit zu schützen; im Fall von Asinara sind das insbesondere die Steineichen-Vorkommen und die Bestände an Phönizischem Wacholder, der vor allem in Dünenformationen am Meer wächst.

Schutz und Renaturierung der genannten Vegetationsformen hängen maßgeblich von einem erfolgreichen Weide- und Wildtiermanagement auf der Insel ab. Der Autor empfiehlt, Ziegen und Wildschweine ganz von der Insel zu verbannen und ein moderates Weidemanagement für Esel, Pferde und Mufflons einzuführen, das bestimmte Schutzzonen einschließt.

Die Masterarbeit ist wissenschaftlich auf hohem Niveau geschrieben und kann es mit mancher Dissertation aufnehmen; ihr kommt zugleich eine große Praxisrelevanz zu, vor allem für die Nationalparkverwaltung vor Ort. Eine Besonderheit der Arbeit ist ihr ganzheitlicher Ansatz: Die positiven wie negativen Einflüsse von Weidetieren auf die Biodiversität und die Verbreitung der Habitate, die verschiedenen Ökosystemfaktoren (insbesondere der Waldhabitate) sowie die möglichen Einflüsse des Klimawandels werden ebenso untersucht und diskutiert wie – zumindest ansatzweise – die Rahmenbedingungen für einen ökologisch verträglichen Tourismus auf der Schutzinsel.

„Naturgemäß“ sind die Ergebnisse der Studie nicht ohne Weiteres auf andere Gebiete übertragbar. Die Arbeit zeigt jedoch mustergültig, wie in einem ökologisch besonders sensiblen und für den Schutz der Biodiversität bedeutsamen Naturraum die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Umweltfaktoren wissenschaftlich erfasst und zugleich konkrete Handlungs- und Renaturierungsempfehlungen für das Flächenmanagement eines Nationalparks abgeleitet werden können.


Ansprechpartner für Rückfragen und Bildmaterial :
Andreas Abstreiter, Tel. 089/54212142,  andreas.abstreiter@umweltstiftung.com

Bildmaterial steht voraussichtlich ab 17.3.2017, 9.00 Uhr zur Verfügung.

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