Förderpreise Wissenschaft gehen an Dr. Sandra Englhart und Dr. Marius Mayer

Die grundlegenden Arbeiten liefern Daten, Fakten und wissenschaftliche Analysen zu den Themen „Klimaschutz in tropischen Regenwäldern“ und „Nationalparke in Deutschland“

München, 28.4.2016 Die Preisverleihung findet heute in München statt. Mit den "Förderpreisen Wissenschaft" will die Stiftung seit der ersten Vergabe im Jahr 2003 Nachwuchswissenschaftler ermutigen, gerade auch Themen und Problemfelder zu bearbeiten, die nicht automatisch eine Industriekarriere oder Begeisterung bei potentiellen Arbeitgebern in der Verwaltung versprechen.

"Gerade der Natur- und Umweltschutz braucht in Zukunft mehr denn je qualifizierte und engagierte Wissenschaftler, die nicht nur auf eine möglichst schnelle Karriere in der Industrie starren, sondern sich für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung engagieren", so Claus Obermeier, Vorstand der Stiftung.

Diese Hoffnungen haben die beiden Preisträger in herausragender Weise erfüllt. Im Einzelnen werden die Förderpreise für Abschlussarbeiten und Dissertationen in den Studienschwerpunkten Biologie / Geo- und Umweltwissenschaften, Forst- und Agrarwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften vergeben. Der Preis ist mit jeweils 2500 € Preisgeld und einer Anschlussförderung zur Weiterführung der wissenschaftlichen Arbeit verbunden.
Die Jury bestand aus Dr. Manuel Schneider (Projektbüro make sense, Gutachten) , Christine Frömel, Bernd Louisoder, Stefanie Jaeger, Claus Obermeier.


Zusammenfassung der Dissertation von Frau Dr. Sandra Englhart:

Monitoring restoration and aboveground biomass in tropical peat swamp forests on Borneo using multisensoral remote sensing data (Dissertation an der Fakultät für Biologie, MLU München 2012)

Kurzfassung der Arbeit von Frau Dr. Sandra Englhart als PDF

Der Zustand der tropischen Regenwälder ist für das Weltklima von entscheidender Bedeutung. Neben dem Amazonasgebiet spielen hier v.a. die Regenwälder Südostasiens eine zentrale Rolle, wo auch das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Dissertation liegt. CO2-Emissionen durch Entwaldung und Degradation von Waldflächen sowie Brand- und Trockenlegung tropischer Torfflächen allein in Südostasien machen bis zu knapp einem Viertel der gesamten anthropogen bedingten CO2-Emissionen weltweit aus! So ist Indonesien mit seinem Raubbau an den Wäldern und Torfflächen mittlerweile zu einem der größten CO2-Emittenten weltweit „aufgestiegen“.

Die Kohlenstoffbindung findet beim Regenwald zu 78 % durch die Biomasse oberhalb des Bodens wie Äste und Blätter statt, die restlichen 22 % im Boden. In Torfgebieten ist es fast umgekehrt: Dort findet fast zwei Drittel der Kohlenstoffbindung in den bis zu 20 Meter tiefen Torfböden statt und nur ein Drittel durch die Vegetation oberhalb der meist mit Wasser bedeckten Böden.

Um die Zerstörung und Degradation von Regenwäldern zu Torfmoorwäldern zu mindern, hat die internationale Staatengemeinschaft ein Finanzierungssystem aufgebaut (REDD+), das den Ländern seit 2011 einen finanziellen Ausgleich für den Schutz ihrer Wälder und die damit verbundenen ökonomischen Nutzungseinbußen anbietet.  Damit solche REDD+-Projekte durchgeführt werden können, muss zunächst der Wald in Kohlenstoffäquivalente „umgerechnet“ und ein Referenzwert (Baseline) ermittelt werden, an dem sich die Kohlenstoffbilanz einer Fläche bzw. bestenfalls eines ganzen Landes bemisst. Nur so kann ermittelt werden, ob vermiedene Entwaldung und Walddegradierung bzw. Renaturierungsmaßnahmen auch zu den erwünschten CO2-Emissionsminderungen geführt haben, die über den REED+-Mechanismus finanziell kompensiert werden.

Dies macht eine möglichst exakte Erfassung zumindest der Oberflächen-Biomasse erforderlich, und zwar auf großen und zum Teil schwer zugänglichen Flächen.  Ziel der Arbeit ist es, verschiedene Fernerkundungsmethoden hinsichtlich ihrer Präzision, Praktikabilität und wirtschaftlichen Kosten bei der Erhebung zu vergleichen. Dabei konzentriert sich die Studie v.a. auf die nähere Untersuchung von Radarmessungen, da diese etwa gegenüber Satellitenaufnahmen den Vorteil haben, auch nachts und bei Bewölkung bzw. Rauchbildung durchführbar zu sein (letzteres ist in den Tropen besonders wichtig, da der Himmel tagsüber oft bewölkt und aufgrund der großflächigen Brandrodungen vielfach eine intensive Rauchbildung die Sicht behindert). Regional und thematisch konzentriert sich die Studie auf zwei Aspekte des besonderen Ökosystems tropischer Torfwälder auf Borneo: In einer ersten Arbeit werden hydrologische Effekte der Torfrenaturierung auf Basis von Radardatenzeitreihen untersucht. Dabei konnte die Wiedervernässung der Moore durch Dammbildung in den künstlich angelegten Drainage-Kanälen hinsichtlich ihrer Erfolge (und Misserfolge) präzise dokumentiert werden. Ohne eine solche Wiedervernässung sind eine Wiederaufforstung mit dem spezifischen Baumbestand von Moorwäldern und die damit einhergehende CO2-Bindung nicht möglich. Zugleich ist sie Voraussetzung dafür, die akute Waldbrandgefahr auf den ehemaligen Moorflächen zu reduzieren.

Die anderen Arbeiten, die in der Kumulativdissertation zusammengefasst wurden, beschäftigen sich mit den verschiedenen Varianten oberirdischer Biomassenabschätzung mithilfe von Felddaten und v.a. multisensoralen Fernerkundungsdaten sowie unterschiedlicher Methoden der Datenauswertung.


Zusammenfassung der Dissertation von Herrn Dr. Marius Mayer:

Kosten und Nutzen des Nationalparks Bayerischer Wald Eine ökonomische Bewertung unter Berücksichtigung von Tourismus und Forstwirtschaft
(Dissertation Geographie an der Universität Würzburg)

Kurzfassung der Arbeit von Herrn Dr. Marius Mayer als PDF

Die sehr umfangreiche geographische Dissertation (575 Buchseiten) geht am Beispiel des Nationalparks Bayerischer Wald einer Frage nach, die erstaunlicherweise bislang noch nicht intensiv untersucht wurde, obwohl sie naheliegend ist: Wie sieht unter ökonomischen Gesichtspunkten die Kosten-Nutzen-Bilanz eines Nationalparks aus?  Vor allem die Kritiker von Nationalparks führen ökonomische Einbußen an, die v.a. in der Forst- und Holzwirtschaft zu Buche schlagen, um die Ausweitung des Anteils naturbelassener (unbewirtschafteter) Flächen möglichst zu verhindern. Wie hoch diese (vermeintlichen) Schäden sind,  bleibt jedoch meist unbestimmt; und ob sie womöglich kompensiert werden, etwa durch eine verstärkte touristische Nutzung des Nationalparks als Erholungsraum, bleibt ebenfalls unklar. Die öffentlichen Debatten sind bei diesen Fragen meist empirisch diffus, weil es kaum ganzheitliche Bewertungen der Kosten und Nutzen gibt.

Diese Forschungslücke wird mit der Studie geschlossen. Erstmals werden an einem konkreten Beispiel verschiedene umweltökonomische Bewertungsansätze im Hinblick auf Kosten wie Nutzen von Nationalparks empirisch verwendet. Die Arbeit gibt Auskunft darüber, welche volks- und regionalwirtschaftlichen Kosten (direkte, indirekte sowie Opportunitätskosten) durch die Etablierung des Nationalparks entstehen sowie ob, und wenn ja, in welchem Umfang diesen Kosten volks- und regionalwirtschaftliche Nutzen gegenüberstehen, die möglicherweise die Kosten übertreffen. Bis es zu dieser empirischen Erhebung kommt, werden in sechs, z.T. recht ausführlichen Kapiteln Untersuchungsgegenstand, Begrifflichkeit wie Methodik dargelegt sowie der Forschungsstand vorgestellt. In Kapitel 9 werden dann – auf der Basis von Befragungen, Experteninterviews sowie Auswertung vorhandenen Datenmaterials – die direkten und indirekten Kosten sowie die Opportunitätskosten des Nationalparks ermittelt, in Kapitel 9 der touristische Gebrauchswert sowie weitere ökonomische Nutzen des Nationalparks. Hierbei zeigt sich bereits, dass die Zahlungs-, Kosten- und Nutzenströme regional unterschiedlich sind: Während die Kosten meist vor Ort anfallen, verteilt sich der Nutzen – entsprechend der Besucherströme – zum Teil auf ganz Deutschland. Es ist ein besonderes Verdienst der Arbeit, hier mehr Klarheit verschafft zu haben.

Eine Besonderheit der Studie gegenüber vergleichbaren Arbeiten ist, dass sie sich bei der Erfassung des Nutzens nicht nur – wie die meisten anderen Arbeiten – auf die touristische Wertschöpfung konzentriert. Der Verfasser konnte vielmehr aufzeigen, dass die touristische Wertschöpfung zwar eine wichtige, aber bei weitem nicht die alleine dominierende Wertkomponente von Nationalparks ist. Der Anteil schwankt – je nach Szenario – zwischen rund 5 und knapp 50 %.

Bei der Erhebung von Kosten und Nutzen zeigt sich zudem, dass die Kosten teilweise eindeutiger zu bestimmen sind (v.a. die direkten Kosten) und weniger volatilen Annahmen und Werturteilen unterliegen als die einzelnen Nutzenkategorien. Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, dass in der Diskussion die Kostenseite stets zu dominieren scheint. So als sei ausgemacht, dass Nationalparks ökonomisch stets ein
„Zuschussgeschäft“ seien. Die genaue Auswertung der empirischen Erhebungen und Berechnungen zeigt jedoch ein anderes, differenzierteres Bild: In den meisten vom Autor durchgerechneten Szenarien erweist sich, dass der Nationalpark nicht – wie von interessierter Seite immer wieder behauptet wird – die per se volkswirtschaftlich nachteiligere Landnutzungsalternative darstellt. Dieses durchaus überraschende Ergebnis könnte dazu beitragen, in vorwiegend ökonomisch geführten Debatten die Akzeptanz des Schutzgebietes zu erhöhen.


Ihr Ansprechpartner für Rückfragen:

Andreas Abstreiter, Projektstelle Onlinekommunikation: andreas.abstreiter@umweltstiftung.com , Tel. 089/54212142

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